Sonntagsruhe

Sonntagsruhe

Sonntagsruhe (Lord's day rest; repos du dimanche; riposo domenicale). Die Unterbrechung der Arbeit am Sonntag entspringt dem kirchlichen Gebot der Sonntagsfeier und dem Bedürfnis nach Ruhe und Erholung. Die S. hat sich je nach dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat und der hierdurch beeinflußten Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern verschieden entwickelt. Während sie in England, Schottland und Nordamerika schon früh eine strenge Form annahm und diese auch beim Emporblühen von Handel und Industrie bis heute erhalten hat, wurde in Frankreich nach der großen Revolution jede Unterscheidung zwischen Sonntag und Wochentag gesetzlich verboten. Ebenso wurden in Italien alle Strafbestimmungen beseitigt, die über Nichtbeachtung der S. erlassen waren. Aber auch auf diese Länder haben sich später die allgemein sehr lebhaft auftretenden Bestrebungen ausgedehnt, für die arbeitende Bevölkerung auf gesetzlichem Wege die Gewährung der S. sicherzustellen. Bereits im September 1876 tagte in Genf ein internationaler Kongreß für die Sonntagsheiligung, der auch für die Einführung der S. im Eisenbahndienst eintrat und zu dem Zweck eine Einschränkung des Güterdienstes an den Sonn- und Festtagen empfahl. Dies gab Anlaß, daß die 1878 in Bern zur Aufstellung eines Entwurfs für das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr einberufene Konferenz ihre Beratungen auch auf die Frage der S. ausdehnte. Die Konferenz erklärte, daß die empfohlene Maßnahme, so erwünscht sie auch sei, als undurchführbar angesehen werden müsse. Aber schon im folgenden Jahre sprach sich ein zweiter internationaler Kongreß in Bern abermals für Einführung der S. im Eisenbahndienst aus. Er empfahl den Verwaltungen, den Sonntagsdienst derart einzuschränken, daß künftig jeder Bedienstete wenigstens jeden zweiten Sonntag vom Dienst befreit werden würde (s. die Aufsätze Dienst- und Ruhezeiten sowie Arbeiterschutz). Auch der erste internationale Eisenbahnkongreß in Brüssel beschäftigte sich 1885 mit der Frage der S., allerdings ebenfalls mit geringem Erfolg, denn er beschränkte sich auf die Erklärung, daß eine Ausdehnung der regelmäßig wiederkehrenden Ruhepausen und deren Verlegung auf die Sonn- und Feiertage sowohl den Verwaltungen wie den Bediensteten zum Vorteil gereichen würde. Während der Weltausstellung im Jahre 1889 tagte in Paris ein Congrès international du repos hebdomadaire au point de vue hygienique et social (Paris, Genf 1890). Dieser Kongreß stellte folgende Grundsätze auf: 1. An Sonntagen soll der gewöhnliche Güterdienst ruhen mit Ausnahme der Abfertigung von Vieh und leicht verderblichen Waren. 2. Die Zahl der Güterzüge ist an Sonntagen tunlichst einzuschränken. 3. Die Eilgutabfertigungen sind Sonntags nur während bestimmter Stunden geöffnet zu halten. 4. Neubau-, Bahnunterhaltungs- und Werkstättenarbeiten sind an Sonntagen womöglich einzustellen. 5. Bei den Liefer- und Abfertigungsfristen der gewöhnlichen Güter sind Sonntage nicht in Rechnung zu stellen. 6. Bei Festsetzung der Besoldung ist zu berücksichtigen, daß die Bediensteten nicht wünschen, an Sonntagen zu arbeiten. 7. Die den Sonntagen gleich zu rechnenden Festtage sind durch die Landesregierungen festzusetzen.

Einer der ersten Erfolge der in dieser Weise immer von neuem geltend gemachten Forderungen war die Aufnahme von Bestimmungen zur Einschränkung des Güterverkehrs in den erwähnten Entwurf des internationalen Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr, das am 1. Januar 1893 in Kraft trat, nachdem über den Entwurf bereits seit 1878 verhandelt war. Nach diesem Übereinkommen, dessen jetzt gültiger Wortlaut in Abschnitt V der VBR. mit Ausführungsbestimmungen bekannt gegeben ist, beginnt die Lieferfrist für die Beförderung der Ware 24 Stunden später, wenn der auf die Auflieferung folgende Tag ein Sonntag ist (Art. 14, Ausf.-Best. § 6). Ist der letzte Tag der Lieferfrist ein Sonntag, so läuft die Frist erst am darauffolgenden Tag ab. Auf Eilgut sind diese Ausnahmen nicht anwendbar. Nimmt ein Staat in die Gesetze oder in die genehmigten Eisenbahnreglemente eine Bestimmung über Unterbrechung der Warenbeförderung an Sonn- und gewissen Feiertagen auf, so werden die Beförderungsfristen im Verhältnis verlängert. Eine ähnliche Berücksichtigung der Lieferfristen findet auch bei den innerstaatlichen Vorschriften statt (s. Lieferfristen u. Avisieren).

In Deutschland wurde die Einschränkung der Sonntagsarbeit schon 1869 bei Erlaß der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes erwogen, aber erst durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 am 1. April 1895 eingeführt. Demnach ist die Arbeit an Sonn- und Feiertagen, abgesehen von besonders zugelassenen Ausnahmen, für den größten Teil der unter die Gewerbeordnung fallenden Betriebe grundsätzlich verboten. Die Ruhezeit soll 24 Stunden betragen. Wenn die Gewerbeordnung auf den Betrieb der Eisenbahnen auch keine Anwendung findet, so mußte sie doch die auf Ausdehnung der S. auf den Eisenbahndienst gerichteten Bestrebungen kräftig fördern. Die Arbeiten in den Werkstätten, die Bauarbeiten, die Unterhaltungsarbeiten an den Bahnanlagen, der Dienst bei den Verwaltungsbehörden pflegten zwar mit geringen Einschränkungen überall an den Sonntagen zu ruhen, aber der Fahrdienst hatte bis dahin nennenswerte Einschränkungen nicht erfahren. Bei den nun einmal bestehenden Lebensgewohnheiten mußte der Ausfall von Personenzügen an den Sonntagen im allgemeinen als ausgeschlossen angesehen werden. Der Personenverkehr erforderte sogar an den Sonntagen erhöhte Leistungen, namentlich seitdem durch den Ladenschluß und die Ausgabe von Sonntagskarten der Ausflugsverkehr Sonntags eine erhebliche Steigerung erfahren hatte. Im Personenverkehr war deshalb an Einschränkungen nicht zu denken, wohl aber konnten diese auf dem Gebiet des Güterverkehrs erreicht werden. Im Jahre 1853 war bereits das Fahren von Kohlenzügen auf der königlichen Saarbrücker Eisenbahn von der Aufsichtsbehörde untersagt worden. Auch hatte man bei weiterer Entwicklung des Verkehrs die Beobachtung gemacht, daß infolge der Sonntags eingeschränkten und später gänzlich ruhenden gewerblichen Arbeit zu Beginn der Woche ein merklicher Rückgang in der Belastung der Güterzüge einzutreten pflegte, der auf verkehrsreichen Strecken sogar eine Verminderung der Zugzahl gestattete. Es lag daher nahe, eine Anzahl von Güterzügen schon am Sonntag ausfallen zu lassen und die entstehenden Rückstände durch vollen Zugverkehr am Montag wieder auszugleichen. Dem Gedanken wurde auch durch einen Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten an die preußischen Eisenbahndirektionen im April 1883 Ausdruck gegeben. Auf diese Anregung hin gelang es nach und nach, bis zum Jahre 1891 30% aller Güterzüge in dem Fahrplan der preußischen Staatsbahnen für den Sonntag als ausfallend zu bezeichnen. Da der Durchführung der S. im größeren Umfang sich aber mancherlei Schwierigkeiten entgegenstellten, so beauftragte der Minister durch Erlaß vom 8. Dezember 1891 einen Ausschuß mit der Prüfung der weiter zu ergreifenden Maßnahmen. Hierbei handelte es sich besonders auch um die Frage der Notwendigkeit der Herstellung von Aufstellungsgleisen für die in ihrem Lauf am Sonntag aufgehaltenen Güterzüge, der Unterbringung der Lokomotiven für die Zeit des ruhenden Zugverkehrs, der erhöhten Aufwendung von Wagenmieten für die nunmehr eine längere Zeit im Bezirk sich aufhaltenden fremden Wagen und endlich um die wichtige Frage des erhöhten Wagenbedarfs, hervorgerufen durch die Verzögerung des Wagenumschlags und damit zusammenhängend um die Schaffung von Aufstellgleisen für einen größeren Wagenbestand. Daß durch den Ausfall der Güterzüge an den Sonntagen der Wagenumlauf verzögert werden würde, stand fest. Strittig war aber der Umfang der Verzögerung und der daraus folgende Mehrbedarf an Wagen. Nach eingehenden Erhebungen gelangte der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß bei Einführung voller Sonntagsruhe annähernd 8% der Wagen fehlen und durch Neubeschaffung zu ersetzen sein würden. Die zur Durchführung aller dieser Maßnahmen erforderlichen, sehr erheblichen Aufwendungen (vgl. Ztg. d. VDEV. 1894, S. 630) konnten vermieden oder eingeschränkt werden, wenn von vornherein auf eine volle Durchführung der S. verzichtet und diese auf die Zeit des gewöhnlichen Verkehrs beschränkt und der Zugverkehr unbeschränkt in den Monaten des großen Herbstverkehrs beibehalten wurde (s. Arch. f. Ebw. 1894, S. 201, Aufsatz von Seydel).

Aus wirtschaftlichen Gründen war diese Lösung der Frage durchaus gerechtfertigt und mit dieser Beschränkung wurde die S. im Güterverkehr durch Erlaß vom 20. November 1893 auf den preußischen Staatsbahnen eingeführt.

Inzwischen hatte das Reichseisenbahnamt die deutschen Regierungen zu gemeinsamem Vorgehen aufgefordert. Nach einer Vorverhandlung am 4. November 1892 wurde auf Grund einer Beratung der Regierungsvertreter am 8. Mai 1894 dem Vorgehen zugestimmt und die S. im Güterverkehr der deutschen Eisenbahnen, soweit dies inzwischen nicht schon geschehen war, vom 1. Mai 1895 ab nach folgenden Grundsätzen eingeführt: 1. Der Eisenbahngüterverkehr ausschließlich des Vieh- und Eilgutverkehrs ist an Sonn- und Festtagen so weit einzustellen, als solches möglich ist, ohne daß umfassende bauliche Einrichtungen nötig werden und ohne daß die Betriebsmittel oder das Personal vermehrt werden müssen. Auch abgesehen hiervon ist es zulässig, an Sonn- und Festtagen einzelne Güterzüge zu fahren, sofern und insoweit das durch besondere Bedürfnisse des Verkehrs und des Wettbewerbs mit dem Ausland erforderlich werden sollte. 2. Es ist zulässig, Güter, die aus besonderen wirtschaftlichen Rücksichten eine Verzögerung in der Beförderung nicht vertragen, z.B. leicht verderbliche Güter, regelmäßig auch an Sonn- und Festtagen zu fahren. 3. Als Festtage gelten der Neujahrstag, Karfreitag, der zweite Ostertag, Himmelfahrt, der zweite Pfingsttag und die beiden Weihnachtstage. Über sonstige Festtage bleibt Vereinbarung vorbehalten. 4. Volle Ruhe im Güterverkehr tritt ein für die Zeit von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Die übrigen Stunden dienen zur Überleitung des Dienstes in die Ruhe und umgekehrt. 5. Die Fahrbediensteten sind bis 4 Uhr morgens in die Heimat zurückzuführen und bis 6 Uhr abends außer Dienst zu stellen. 6. Für die Zeit des stärksten Verkehrs ist eine zeitweilige Einschränkung oder völlige Aufhebung der S. zulässig. 7. Es bleibt vorbehalten, Erfahrungen über die Frage zu sammeln, ob eine Verlängerung der Lieferfristen unvermeidlich sein wird. – Zur Durchführung der Ziffern 1, 2, 4 und 6 der Grundsätze vom 8. Mai 1894 ist zwischen den süddeutschen Staatseisenbahnen ein besonderes Übereinkommen getroffen worden. Eine Verlängerung der Lieferfristen haben die deutschen Eisenbahnen nicht eintreten lassen. – Die an die Einführung der S. im Güterverkehr geknüpften Erwartungen haben sich erfüllt. Es konnten einzelne Güterbahnhöfe oder Bahnhofsteile Sonntags vollständig geschlossen werden. Es wurde erreicht, daß nunmehr 1/3 sämtlicher Eisenbahnbediensteten grundsätzlich an allen Sonn- und Festtagen vom Dienst befreit werden konnte. Durch die allgemeine Bestimmung, daß auch den diese Vergünstigung nicht genießenden Bediensteten des Fahrdienstes, des Verkehrs- und Bahnbewachungsdienstes an jedem zweiten, mindestens aber an jedem dritten Sonntag Gelegenheit zum Kirchenbesuch zu geben ist, sowie durch tunlichste Verlegung der planmäßigen Ruhetage auf die Sonntage ist auch diesen Bediensteten Gelegenheit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten gegeben.

Über die Bedienung des Güterverkehrs an den Sonn- und Festtagen bestimmt § 63 der EVO., daß die Eisenbahn Frachtgut nicht anzunehmen braucht. Eilgut anzunehmen ist sie verpflichtet, wenn Zoll- und steueramtliche Behandlung kein Hindernis bieten. Die Dienststunden, während der die Güter aufzuliefern sind, hat die Eisenbahn festzusetzen und durch Aushang am Schalter bekanntzugeben. Wagenstandgeld ist nur zu zahlen, wenn die Ladefrist schon am Tage vorher nachmittags 2 Uhr ablief. Folgen mehrere Sonn- und Festtage aufeinander, so ist nur für einen Tag Wagenstandgeld zu erheben. Die Fristen für Lagergeld und Standgeld ruhen an Sonn- und Festtagen für die Dauer einer Zoll- oder steueramtlichen oder polizeilichen Abfertigung. Bei Eilgut, das an Sonn- und Festtagen ankommt, kann die Benachrichtigung des Empfängers erst am folgenden Morgen verlangt werden (§ 79). Endlich bestimmt § 80, daß an Sonn- und Festtagen nur Eilgut auszuliefern ist. Auch die Annahme von Tieren zur Beförderung findet an Sonn- und Festtagen nicht statt (§ 43).

Seit Einführung der S. hat der Güterverkehr dauernd zugenommen und häufig die Anspannung aller Kräfte erfordert. Es ist deshalb notwendig geworden, die S. im Güterverkehr nicht nur, wie es von vornherein vorgesehen war, regelmäßig während der Herbstmonate, sondern auch zu anderen Zeiten einzuschränken oder ganz aufzuheben. Das Bedürfnis hierfür macht sich zuerst bemerkbar durch Knappheit oder Mangel an Wagen. Um nun jedesmal nur solche Züge während der S. in Gang zu setzen, die am meisten geeignet sind, den Umlauf derjenigen Wagengattung zu beschleunigen, an der es hauptsächlich fehlt, so sind über das Fahren von Zügen während der S. zwischen den einzelnen Verwaltungen des Staatsbahnwagenverbandes eingehende Vereinbarungen getroffen. Sie lauten auszugsweise für die westlichen Eisenbahndirektionen:


Das Ablassen von Bedarfsgüterzügen mit Ausnahme der Bedarfseilgüter- und Viehzüge ist bei voller S. nur in dringenden Fällen gestattet.

An Sonnabenden oder Tagen vor Festtagen dürfen auch von Zwischenstationen hinter dem als letzten fahrplanmäßigen Güterzug vereinbarten Zug Bedarfszüge nicht mehr abgelassen werden. Die ausnahmsweise Ablassung von Bedarfsgüterzügen darf nur nach Verständigung seitens der Abgangsstation mit der Zielstation und den Zwischenstationen, für die der Zug Wagen befördern soll, geschehen. Die Züge sind den Stationen vorzumelden und der Eisenbahndirektion telegraphisch mitzuteilen.

Bei drohendem Wagenmangel sind jedoch auf besondere Anordnung der Eisenbahndirektion die Bedarfsleerwagenzüge auch an Sonn- und Festtagen zu befördern.

Bei Mangel an offenen und bedeckten Wagen wird die S. im Güterzugdienst nach besonderen Plänen teilweise eingeschränkt. Es bedeutet:

Plan S: Kleiner Mangel an offenen Wagen im Ruhrgebiet.

Plan SS: Größerer Mangel an offenen Wagen und Abfuhrschwierigkeiten infolge erheblicher Wagenansammlung im Ruhrgebiet.


Plan A: Mangel an offenen Wagen.

Plan B: Mangel an bedeckten Wagen.

Plan C: Allgemeinen Wagenmangel.


Die Einschränkung der S. tritt nicht schon ohneweiters bei Bekanntgabe von Wagenmangel ein, sondern wird durch Umlauftelegramme seitens der Direktion angeordnet.

Die Aufnahme der Arbeiten auf den Güterböden bei Plan B und C wird in den Umlauftelegrammen der Direktion besonders angeordnet.


In Österreich und Ungarn hat sich die Einführung der S. im Eisenbahndienst in ähnlicher Weise vollzogen wie in Deutschland. Durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 8. März 1885, an deren Stelle das Gesetz vom 16. Januar 1895 trat, wurde die S. in Österreich und durch das Gesetz vom 14. Mai 1891 in Ungarn eingeführt. Hierzu wurde vom österreichischen Handelsminister im RGB. 1895, Nr. 58 eine Verordnung erlassen, nach der Eilgut bei den Eisenbahnen und Dampfschiffen auch Sonntags aufgegeben und den Empfängern zugestellt werden darf. Auch das Be- und Entladen der Wagen auf Anschlußgleisen ist hiernach erlaubt, wenn andernfalls im Vergleich zur Abfertigung auf den Gleisen des öffentlichen Verkehrs erhöhte Kosten für Standgeld u.s.w. entstehen würden. Auch in Österreich-Ungarn sind die Eisenbahnen der Gewerbeordnung nicht unterworfen. Ihren Einwirkungen konnten sich die Eisenbahnverwaltungen aber nicht entziehen. Sie beschlossen deshalb nach eingehenden Erhebungen eine Einschränkung des Güterverkehrs nach ähnlichen Leitsätzen, wie sie auf den deutschen Eisenbahnen eingeführt sind. Durch ministerielle Anordnung trat dieser Beschluß am 1. Mai 1898 in Kraft. Als Feiertage, die wie Sonntage zu behandeln sind, wurden der Neujahrstag, der zweite Ostertag, Himmelfahrt, der zweite Pfingsttag, Fronleichnam, Allerheiligen sowie die beiden Weihnachtstage festgesetzt und die Lieferfristen um diese Tage allgemein verlängert. Über die Einschränkung der Eilgut- und Güterbeförderung enthält das österreichisch-ungarische Betriebsreglement die auch in das VBR. aufgenommenen Bestimmungen, die mit den für die deutschen Eisenbahnen durch die EVO. getroffenen Anordnungen sachlich übereinstimmen.


In Belgien gilt das Gesetz über die S. vom 17. Juli 1905 auch für die Eisenbahnen (s. Dienst- und Ruhezeiten). Nach ministerieller Vorschrift sind die Stationen der belgischen Staatsbahnen an Sonn- und Feiertagen nur für den Verkehr von Personen, Gepäck und Frachtstücken, die durch Eilboten zu bestellen sind, Geldsendungen, Wertpapiere, von Pferden und Fahrzeugen als Eilgut und von Leichen, frischen Fischen und einigen anderen Gegenständen geöffnet. Die Stadtbureaus sind vollständig geschlossen. Die Anschlußgleise werden nicht bedient.

In Dänemark ist am 3. April 1891 und in Norwegen am 27. Juni 1892 die gesetzliche S. eingeführt.

In Frankreich ist die S. gesetzlich nicht geregelt, doch werden die Bahnhöfe auf ministerielle Anordnung an Sonn- und Festtagen um 9 Uhr vormittags für Frachtgut und um 10 Uhr vormittags auch für eilgutmäßig zu befördernde Gegenstände geschlossen. Das gesamte Personal der Direktionen und ihrer Abteilungen, der Hauptmagazine und Werkstätten ist Sonn- und Festtags dienstfrei. Für ausnahmsweise Heranziehung zum Dienst werden Ersatzruhepausen gewährt, so daß für jeden Bediensteten 52 Ruhetage sich ergeben (s. Dienst- und Ruhezeiten). Nach Ministerialerlaß vom 9. Mai 1891 darf Eil- und Frachtgut den Empfängern, die es beantragen, Sonn- und Festtags nicht zugestellt werden.

In Italien ist die S. nicht gesetzlich geregelt. Für den Eisenbahndienst an Sonn- und Feiertagen sind daher die von der Verwaltung getroffenen Bestimmungen maßgebend. Die den Eisenbahnbediensteten zu gewährenden Ruhezeiten sind durch königliche Verordnung festgesetzt, doch enthält diese keine Vorschriften über Dienstbefreiungen an Sonn- und Festtagen.

In den Niederlanden besteht keine gesetzliche Regelung der S. Die Eisenbahnen lassen aber den Güterzugverkehr seit dem 1. Juli 1895 an Sonn- und Festtagen ruhen, nachdem die Regierung sie von der Pflicht entbunden hat, an diesen Tagen Güter anzunehmen, abzuholen oder auszuliefern und zu bestellen sowie die Sonn- und Festtage bei den hierfür festgesetzten Fristen anzurechnen. Ebenso fallen diese Tage bei Berechnung der Lager- und Magazingelder und der Wagenmieten aus.

In der Schweiz ist die Sonntagsarbeit durch Bundesgesetz vom 23. März 1879 verboten. Durch Gesetz vom 27. Juni 1890 wurde die S. auf die Eisenbahnanlagen ausgedehnt und für den Güterdienst mit Ausnahme der Beförderung von Vieh und Eilgut an Sonn- und Festtagen unbedingte Ruhe angeordnet. Als Festtage gelten Neujahr, Karfreitag, Himmelfahrt, Weihnachten und weitere kantonale Festtage, aber nicht über 8 einschließlich der genannten. Nach § 59 des Transportreglements wird die Annahme von Gütern an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen um 5 Uhr nachmittags geschlossen. Nach § 106 ist die Verwaltung zur Abholung, Zustellung und Avisierung von Gütern an Sonn- und Festtagen nicht verpflichtet.

In Rußland bezeichnet das Fabrikgesetz vom 2. (14.) Juni 1897 die Sonntage und eine Anzahl Feiertage als Ruhetage. Auch nach dem russischen Handelsgesetz darf an Sonn- und hohen Feiertagen nicht gearbeitet werden. Im Eisenbahndienst schreitet die Regelung der S. im Sinne der in den westlichen Nachbarländern getroffenen Maßnahmen nur langsam vorwärts.

In England wird an den Sonntagen Dienst und Arbeit mehr als in anderen Ländern vermieden. Die strenge Einhaltung der S. hat die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs von seiner Entstehung an so stark beeinflußt, daß auch im Fahrdienst eine in anderen Ländern ganz unbekannte S. stattfindet. Der Güterverkehr ruht gänzlich und selbst für den Personenverkehr wird nur eine beschränkte Anzahl von Zügen gefahren. Der Zugverkehr an Sonntagen weicht deshalb vom Verkehr an den Wochentagen so erheblich ab, daß für den Sonntagsdienst besondere Fahrpläne aufgestellt werden müssen. In den Bureaus der Verwaltungen wird, wie auch im sonstigen Geschäftsleben, am Samstag nur bis 1 Uhr mittags gearbeitet. Die Schalter für den Güterempfang werden um 3 Uhr, für den Versand um 4 Uhr nachmittags geschlossen. Um dieselbe Zeit beginnt ein starker Personenverkehr von den Geschäftsplätzen hinaus nach den Wohnstätten und Erholungsorten, dem dann am Sonntag eine völlige Ruhe bis zum Abend, wo die Rückkehr beginnt, folgt. Während der S. verkehren im Fernverkehr nur einige wenige Züge, deren Ausfall eine unzulässige Unterbrechung wichtiger Verkehrsbeziehungen zur Folge haben würde. – Sonntagsarbeit und Sonntagsdienst wird in England ähnlich behandelt wie Überstunden über die gewöhnlichen Tagesleistungen hinaus oder wie der Nachtdienst (s.d.). Die Eisenbahnen vergüten die Sonntagsleistungen auch höher und gewähren hierfür Zuschläge von 25–50%. Der Sonntagsdienst wird nur dann nicht besonders angerechnet, wenn ihm eine Ruhe von 24 Stunden vorausging oder wenn er die Verlängerung einer Wochentagsschicht bildet. Auf der Midlandbahn erhält das Lokomotivpersonal der Güterzüge für den nach 7 Uhr endenden Dienst der abgelaufenen Woche, soweit er in den Sonntag fällt, 50% Lohnzuschlag, für andern Sonntagsdienst wie das übrige Personal aber nur 25%. Auf der großen Westbahn erhält das ganze Personal 50% Lohnzuschlag, soweit der Dienst die wöchentlich zu leistenden 6 Schichten überschreitet. Die große Ostbahn vergütet 25% Zuschlag. Ihre Stellwerksweichensteller erhalten ihn aber nur dann, wenn eine besondere Sonntagsschicht über 5 Stunden geleistet wird und sie keinen Ruhetag in der Woche gehabt haben (vgl. Arch. f. Ebw. 1912, S. 677).

In den nordamerikanischen Staaten besteht ebenfalls gesetzliche S. und eine fast ebenso strenge Auffassung über ihre Einhaltung, auch im Eisenbahndienst wie in England.

Breusing.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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