Bahnärzte

Bahnärzte

Bahnärzte (médecins agrées de l'administration) wurden von den Bahn Verwaltungen schon frühzeitig und lange bevor denselben durch sozialpolitische Gesetze Leistungen für die erkrankten Bediensteten auferlegt wurden, in richtiger Erkenntnis des hohen Wertes, den eine geordnete Gesundheitspflege des Personales für die Wirtschaftlichkeit des Betriebs hat, bestellt.

Seit Inkrafttreten der sozialpolitischen Gesetze einerseits und der Steigerung des Verkehrs anderseits erfuhr die Zahl der Bahnärzte bei den Bahnverwaltungen aller Kulturstaaten eine erhebliche Vermehrung, so daß z.B. gegenwärtig in Deutschland rund 4000, in Österreich (Staats- und Privatbahnen) 1500 Bahnärzte angestellt sind.

Die Obliegenheiten der Bahnärzte bestehen, wenn ihnen, was größtenteils der Fall ist, gleichzeitig seitens der bei den einzelnen Bahnverwaltungen errichteten Betriebskrankenkassen auch die Krankenbehandlung übertragen wird, einerseits, in der Behandlung erkrankter Bediensteter und deren Angehöriger, anderseits in der Feststellung des Gesundheitszustandes aller Aufnahmswerber, der Beschaffenheit ihrer Sinnesorgane (Hör-, Seh- und Farbenunterscheidungsvermögen) der regelmäßigen Überprüfung der Bediensteten hinsichtlich der Fortdauer ihres allgemeinen Gesundheitszustandes sowohl, als auch der vorgeschriebenen Beschaffenheit ihrer Sinnesorgane, der Unterweisung der Bediensteten in der ersten Hilfeleistung nach Unglücksfällen, der Überwachung des Zustandes der Rettungsapparate, der Erstattung regelmäßiger Monats- und Jahresberichte zur Bearbeitung der vorgeschriebenen Krankenstatistik, der Überwachung der hygienischen Verhältnisse in allen bahneigenen Gebäuden (Bahnhöfe, Werkstätten, Heizhäuser etc.) u.s.w., der Mitwirkung bei den Maßnahmen gegen die Einschleppung von Epidemien, der Erstattung von Gutachten in Haftpflicht-, Pensions- und Unfallangelegenheiten etc.

Zur Besorgung des bahnärztlichen Dienstes werden Stationsorte, in denen derart viele Bedienstete wohnen, daß mehrere Bahnärzte angestellt werden müssen, in mehrere, geographisch genau abgegrenzte bahnärztliche Bezirke eingeteilt (territoriale Einteilung des bahnärztlichen Dienstes) innerhalb welcher die betreffenden Bahnärzte den bahnärztlichen Dienst in dem früher beschriebenen Umfange zu versehen haben. Längs der Strecke werden die bahnärztlichen Bezirke in der Weise gebildet, daß je einem Bahnarzte eine gewisse Anzahl von Streckenkilometern, samt den innerhalb derselben gelegenen Stationen, Wärterhäusern etc. mit der Maßgabe zugewiesen wird, auch allen in einer gewissen Entfernung vom Bahnkörper wohnhaften Bediensteten und deren Angehörigen ärztliche Behandlung angedeihen zu lassen.

In größeren und solchen Stationsorten, in denen die Bediensteten, sei es durch das Bestehen von Personalhäusern, sei es durch die Bevorzugung gewisser, in der Nähe der Bahnhöfe, Werkstätten etc. gelegenen Stadtteile, dicht beisammen wohnen, stößt die Einteilung des bahnärztlichen Dienstes auf keine besonderen Schwierigkeiten.

Längs der Strecke gestaltet sich hingegen die Einteilung des bahnärztlichen Dienstes zuweilen deshalb schwieriger, weil sie hauptsächlich von dem Kulturzustande der betreffenden Gegend abhängig ist. In dichter bevölkerten, mit einem regen Zugsverkehr ausgestatteten Gegenden können die bahnärztlichen Bezirke in der Regel wegen der zahlreich zur Verfügung stehenden Ärzte und der größeren Anzahl der Bediensteten kleiner gehalten, daher wenige km lang sein. Bei Fehlen der vorerwähnten Bedingungen, also in weniger kultivierten Gegenden, erreicht aber die Ausdehnung einzelner bahnärztlicher Bezirke zuweilen eine Länge von 50 km.

Die Bahnärzte werden in der Regel verpflichtet, innerhalb der ihnen zugewiesenen Bezirke oder in unmittelbarer Nähe derselben zu wohnen, ferner entweder in von der Bahnverwaltung beigestellten Räumen oder in ihrer eigenen Wohnung regelmäßige Sprechstunden für die Bediensteten der Bahnverwaltung abzuhalten.

Nebst den eigentlichen »Bahnärzten« sind bei den Direktionen der größeren Bahnverwaltungsbezirke Vertrauensärzte bestellt, die größtenteils den Diensttitel »Chefarzt« führen. Sie haben in der Regel Amtscharakter. Zu ihren Obliegenheiten gehört die Überprüfung der von den Bahnärzten in Haftpflicht- und Unfallsangelegenheiten etc. erstatteten Gutachten, bzw. die Abfassung von Obergutachten, ferner die Äußerung über die Qualifikation der Bewerber um bahnärztliche Stellen, die Überwachung der Dienstesausübung der Bahnärzte, die Überwachung des Zustandes der Rettungsapparate und der eisenbahnhygienischen Verhältnisse im betreffenden Direktionsbezirke, die Abfassung der Krankheitsstatistik, die Überwachung der Medikamentenverschreibungen durch die Bahnärzte etc.

Endlich bestehen auch in jenen Ministerien, in denen die Angelegenheiten des Eisenbahnwesens behandelt werden, Sanitätsdepartements mit einem Arzte an der Spitze, zur Erledigung der Agenden der obersten Überwachung und Leitung des Eisenbahnsanitätsdienstes innerhalb des betreffenden Staatsgebietes.

Die Bahnärzte widmen sich gewöhnlich nicht ausschließlich dem Bahndienste und sind größtenteils mittels eigener, seitens beider Vertragsteile kurzfristig kündbarer Verträge angestellt.

Die Entlohnung der Bahnärzte erfolgt, insoweit ihre kassenärztliche Tätigkeit in Betracht kommt, aus Krankenkassamitteln u. zw. größtenteils nach der Kopfzahl der ihnen zugewiesenen Krankenkassamitglieder, unter Berücksichtigung des Standes, des Wohnortes etc. derselben. Die Vornahme operativer Eingriffe und sonstige außerordentliche Leistungen während der Krankenbehandlung werden gewöhnlich nach bestimmten Sätzen besonders vergütet.

Die Entlohnung für die Besorgung der Agenden des administrativen Eisenbahnsanitätsdienstes erfolgt aus Betriebsmitteln und ist entweder bei der Entlohnung für die kurative Tätigkeit der Bahnärzte durch perzentuelle Zuschläge aus Betriebsmitteln inbegriffen oder erfolgt durch gesonderte fallweise Bezahlung.

Auf den österreichischen Staatsbahnen wurde der bahn- und kassenärztliche Dienst im Jahre 1910 von 1002 B. (gegen 859 im Jahre 1909) versehen, und bezogen von diesen 333 ein Honorar unter 600 K, 398 ein Honorar von 600–1000 K und 273 ein Honorar von 1600 K und darüber (Höchstbetrag 5000 K). Die Kosten des bahnärztlichen Dienstes betrugen für ein Krankenkassamitglied rund 8 K.

Bei den österr. Staatsbahnen wurde schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts jenen Bahnärzten, die ein Jahreshonorar von 1600 K und darüber bezogen, die Aufnahme in den Pensionsfonds zugestanden. Im Jahre 1909 wurde auch Bahnärzten mit einem Jahresgehalte von 600 bis 1600 K die Pensionsversicherung ermöglicht, und haben derzeit etwa 2/3 Anspruch auf Altersversorgung.

Bei den preußisch-hessischen Staatsbahnen waren im Jahre 1909 2560 B. bestellt, deren Bezüge sich auf 2,192.400 M. beliefen. Die Vergütung der B. betrug für den Kopf rund 13∙00 M. (1908 : 12∙90 M). Neben den B. sind besondere Augen- und Ohrenärzte bestellt, die die bahnseitig für notwendig erachtete Untersuchung der Bediensteten auf das Seh- und Hörvermögen in allen jenen Fällen vornehmen, in denen die bahnärztliche Untersuchung nicht ausreicht. Diesen Ärzten wurden im Jahre 1909 41.553 M. (1908 : 38.461 M.) gezahlt. Bei Erkrankung eines B. bezieht dieser, wenn die Erkrankung länger als 6 Wochen bis zu 6 Monaten dauert, seine vertragsmäßigen Vergütungen weiter und werden die Kosten der Stellvertretung von der Verwaltung übernommen.

Anspruch auf Altersversorgung haben die B. bei den deutschen Bahnen zumeist nicht.

In Italien ist das Dienstverhältnis der B. durch Gesetz v. 7. Juli 1907 (mit Abänderungen v. 25. Juni 1909), wie folgt, geregelt:


Das von der Generaldirektion abhängige ärztliche Personal wird den einzelnen Betriebsdirektionen zugeteilt, um den Betrieb in gesundheitlicher Hinsicht zu überwachen, ärztlichen Rat zu erteilen und die gesundheitliche Tauglichkeit des Personals gemäß den in dem Spezialreglement aufgestellten Vorschriften zu prüfen und zu beaufsichtigen.

Die Bezirksärzte, die praktischen Ärzte, die Spezialisten und die Hilfsärzte haben keine Beamteneigenschaft. Die Ernennung der Bezirksärzte erfolgt durch besondere Ausschüsse für jede Bezirksdirektion, die, wie folgt, zusammengesetzt sind: aus dem Vorsitzenden der Bezirksdirektion, aus dem Vorsitzenden der Gesundheitsabteilung, aus zwei Professoren der klinischen und chirurgischen Abteilung der im. Orte oder in der Nähe befindlichen Universität, die vorzugsweise aus den praktischen Ärzten gewählt werden, und aus dem Provinzialarzte am Sitze der Bezirksdirektion.

Für die Ärzte, die auf den Bahnstrecken ihre Tätigkeit auszuüben haben, besteht die Entschädigung für ihre Verrichtungen in der Gewährung einer Freikarte auf bestimmten Strecken, außer den Fahrpreisermäßigungen, die für Beamte und deren Familien vorgesehen sind, sofern nicht außerordentliche Anforderungen, die in Eisenbahnknotenpunkten oder in Fiebergegenden an die ärztliche Tätigkeit gestellt werden, die Gewährung einer besonderen angemessenen Entschädigung erheischen.

Ärzten, die ihre Tätigkeit mindestens 10 Jahre hindurch in anerkennenswerter Weise ausgeübt haben und dann aus dem Dienste scheiden, kann die Freikarte und die weitere oben erwähnte Fahrbegünstigung noch für einen längeren Zeitraum nach den Bestimmungen des Reglements belassen werden.

Die Ernennung, die Anstellungsbedingungen, die Amtsenthebung und Entlassung, die Verpflichtungen und die etwaigen Entschädigungen für die Ärzte, Hilfsärzte und Spezialisten, werden durch ein besonderes Reglement geordnet (mit Ministerialerlaß vom 20. Juni 1909).


Die mittleren Kosten des ärztlichen Dienstes jedes Bezirks betrugen 170 L. im Jahre 1908/09 und sind für 1909/10 auf 255 L. gestiegen. Im Jahre 1910 waren 1916 B. (28 Hilfsärzte, 89 Spezialisten, 159 Bezirksärzte in Städten und 1616 B. auf der Strecke) zur Versehung des bahnärztlichen Dienstes bestellt, wozu noch 209 Bedienstete im Zentralsanitätsdienst kommen. Die Gesamtkosten des Sanitätsdienstes stellten sich auf rund 1,100.600 L.

In der Schweiz wurde von der »Kranken- und Hilfskasse der ständigen Arbeiter der Schweizerischen Bundesbahnen« im Jahre 1910 für ärztliche Honorare 34.406 Fr. gezahlt.

In Frankreich bestehen auf den Linien der Ostbahn schon seit dem Jahre 1849 B. und ist derzeit der bahnärztliche Dienst in etwa 200 Bezirke eingeteilt. Die B. unterstehen einem Chefarzt und haben die Untersuchung der Aufnahmsbewerber, die Behandlung der erkrankten Bediensteten, die kostenlose Impfung der Angestellten und ihrer Angehörigen u.s.w. vorzunehmen. Ebenso obliegt ihnen die bakteriologische und mikrobiologische Untersuchung der Trinkwasser der Stationen, Wohn- und Wärterhäuser u.s.w. Auch haben sie auf die Bediensteten zwecks Einschränkung des Alkoholgenusses belehrend einzuwirken. Im Jahre 1909 bezahlte die französische Ostbahn den B. 161.402 Fr., die Paris-Lyon-Méditerranée, im Jahr 1910 für ärztliche Behandlung und Beistellung der Arzneien 740.000 Fr. und die französischen Staatsbahnen für Ärzte, Spitalskosten, Arzneien u.s.w. im Jahre 1909 152.752 Fr.

Bogdan.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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