Packungsmaterial

Packungsmaterial

Packungsmaterial. Das in die Stopfbüchsen (s.d.) eingelegte P. soll durch Anliegen an den in Betracht kommenden Wandungen der Stopfbüchse und an dem durch die Stopfbüchse tretenden hin- und hergehenden Konstruktionsteil (Kolbenstange, Schieberstange, Rohr, Spindel u.s.w.) vollständige Dichtheit mit möglichst geringer Reibung (Vermeidung der durch Reibung bedingten Kraft Verluste) bewirken und von solcher Beschaffenheit sein, daß es dem zerstörenden Einfluß der Temperatur oder der chemischen Eigenschaften des Mediums, gegen die es dichten soll, möglichst lange Widerstand leistet.

Zur Herstellung des P. dienen Substanzen organischer oder anorganischer Natur, meistens Verbindungen beider in solcher Formgebung (Gespinst aus Fasern, Geflecht u.s.w.), daß die Schmiegsamkeit in hohem Grade gewahrt ist.

Je höher die Drücke und die Temperaturen sind, denen das P. widerstehen soll, desto mehr verdienen die anorganischen Substanzen den Vorzug. Bei Stopfbüchsen an Heißdampfmaschinen werden nur mehr rein metallische Packungen verwendet, bei denen das P. in Form von Ringen aus Weißmetall erscheint und bei denen die erforderliche Schmiegsamkeit durch in die Stopfbüchse eingebaute Federn erzielt wird.

Von den zu P. verwendeten organischen Substanzen sind zu nennen Hanf, vereinzelt Baumwolle und Leder. Hanf wird verwendet in Form von handgeflochtenen Zöpfen, getränkt mit flüssiggemachtem Unschlitt, dem oft auch Graphitpulver beigemengt ist.

Baumwolle erscheint als P. fast nur in Form von maschinell hergestellten band- oder rohrartigen Geflechten, deren Hohlräume mit Specksteinpulver (Talkpulver) ausgefüllt sind.

Hanf und Baumwolle als P. finden die Grenze einerwirtschaftlichen Verwendung bei Naßdampfmaschinen mit Dampfdrücken bis zu etwa 13 Atm. Für höhere Drücke kommen nur mehr anorganische Substanzen, in erster Linie Asbest in Betracht.

Leder in Form von Stulpen wird mit Vorteil zur Dichtung gegen hohe Wasserdrücke verwendet (s. Stopfbüchsen).

Asbest (Fundorte Kanada, Ural und Kapland), ein Mineral von feinfaseriger Struktur, wird auf Maschinen, ähnlich den in der Spinnerei und Weberei verwendeten, zu Garn versponnen; diese Garne werden auf geeigneten Maschinen zu Bändern, Zöpfen und Hohlzylindern verarbeitet, mit Specksteinpulver (Talk) gefüllt, mit Graphitpulver überzogen und in Ringe geformt, deren Innen- und Außendurchmesser den Abmessungen der Kolbenstangendicke und dem inneren Stopfbüchsendurchmesser entsprechen. Je nach der Formgebung, nach dem angewendeten Füllmittel und den beigemischten hitzebeständigen Ölen erhalten diese Asbestpackungsmaterialien von den sie erzeugenden Spezialfirmen (z.B. Burgmann, Calmon u.s.w.) bestimmte Namen.

Herstellung aus besten Rohstoffen und in erstklassigen Fabriken vorausgesetzt, erfüllen alle diese P. gleich gut ihren Zweck, gegen hohe Drücke und mäßig überhitzten Dampf abzudichten.

Den Übergang von den P. aus anorganischen Stoffen zu den metallischen P. bilden die Späne-, Draht- und Knetpackungen.

Weißmetall (eine Legierung aus Zinn-, Blei- oder Zink-Antimon), in feine lange Späne gehobelt, mit Graphit und irgend einem hochwertigen Mineralöl gemengt, gibt, eingestampft in den Stopfbüchsenraum, ein vorzügliches P. An Stelle der Weißmetallspäne finden auch dünne Drähte aus Kupfer, Messing u.s.w. Verwendung. Ein Nachteil dieses Metallspäne-Packungsmaterials ist wohl der, daß bei vorkommendem Heißlaufen der Kolbenstangen das Spanmaterial zu festen Klumpen zusammenschmilzt und aus dem Packungsraum nur schwer entfernt werden kann.

Recht handliche, hohen Anforderungen entsprechende P. sind die von Sommer in Stuttgart zuerst ausgeführten Knetpackungen. Sie bestehen aus fein geriebenem (geraspeltem) Blei, Weißmetall, Zink oder Zinn, welche Stoffe mit Graphit und Mineralöl zu einem ziemlich harten, knetbaren Teig vereinigt werden. Diese P. werden in Büchsen oder Stangen in den Handel gebracht. Die Ausfüllung des Packungsraums mit diesem P. erfolgt durch Einstampfen.

Rein metallische P. sind dem Äußern nach bestimmt geformte Ringe, bestehend aus irgend einer Weißmetallegierung; sie können kaum mehr als P. im Sinne des Vorstehenden bezeichnet werden, sondern bilden einen wesentlichen Bestandteil der sog. metallischen Stopfbüchsen (s.d.).

Gleichlaufend mit der vorstehenden Reihenfolge der P. steigt auch deren Preis. Die im Betrieb leider oft gefundenen unverhältnismäßig hohen Kosten bei Verwendung von Asbest- und Knetpackungen sind meistens darauf zurückzuführen, daß bei Ausführung der Kolbenstangen mit gegen den Stangendurchmesser verstärktem Endkonus am Kreuzkopf bei den vorgeschriebenen Revisionen der Kolben oder Schieber die Kolbenstangen nur dann durch das gut eingelaufene P. durchgezogen werden können, wenn das ganze P. mit Gewalt entfernt wird, wobei viel Materialverlust entsteht. Unter solchen Verhältnissen ist die Verwendung eines weniger dauerhaften, aber billigen P. (gut präparierter Hanf) oft wirtschaftlicher. Gute Ergebnisse werden aber, trotz hoher erster Anschaffungskosten, bei sachgemäßer Herstellung fast immer mit rein metallischem P. erzielt.

Gölsdorf.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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